Mit Sabine Fischmann
Skript und Regie: Birgitta Linde

Eine feministische One-Woman-Performance, eine Kreuzung von Text, Flügel und Schlagzeug; auf der Spielfläche wütet eine Spielverderberin: Killjoy Medusa alias Sabine Fischmann. Medusa, die Schreckliche, war und ist eine der wirkungsmächtigsten Frauengestalten der griechischen Mythologie. Ovid berichtet in seinen Metamorphosen, dass Medusa - damals noch eine Schönheit - vom Meeresgott Poseidon im Tempel der Göttin Athene vergewaltigt, respektive entehrt(!) wurde. Athene, über die Entweihung ihres Tempels empört, verwandelte Medusa in ein schlangenhaariges Monster, bei dessen Anblick alles und alle zu Stein erstarren. Leider erledigt Ovid die Schandtat mit ein paar äußerst spärlichen Versen, und liefert wohl die kürzeste Schilderung einer zum „Ehrverlust“ zwangsumgedeuteten Vergewaltigung, und wahrscheinlich auch einen der ersten Fälle von Victim Blaming – Schande und Scham dem Opfer.

Das Schicksal der aus einer misogynen patriarchalischen Kultur stammenden Medusa klingt verdächtig nach Gegenwart, deshalb beklagen wir sie heute als das, was sie tatsächlich war und ist – ein Opfer männlicher Gewalt, zum Schweigen verurteilt. Aber wir wollen ihr die Stimme zurückgeben – keine klagende, nein, eine wütende: Wenn weibliche Wut ein Gesicht hat, dann ist es das der Medusa, denn Wut macht ja bekanntlich hässlich. Unsere Medusa ist weder lieblich noch gefällig, sondern eine Wutmaschine. Sie bringt ihre Schreckensvisage in Stellung, auf dass keiner ihr zu nahe komme. Es ist ihr egal, wenn sie unsympathisch und rotzig rüberkommt, es ist ihr egal, dass Frauen angeblich attraktiver sind, wenn sie die Klappe halten. Sie genießt ihre Rolle als Killjoy, als Spaß- und Spielverderberin, denn die Zeit für eine neue Wut ist gekommen, wir sind in der Post-Me-Too-Ära – das Momentum ist verflogen, der Schwung dahin, also muss mal wieder am status quo gerüttelt werden.

Ohne Wut kein Fortschritt. Mit Wut im Bauch, und ohne Triggerwarnung(!), wird Medusa diesmal selbst die ihr angetane Gewalt mithilfe heutiger Erfahrungsmuster schildern, den Tathergang in seiner Brutalität erzählen, realistisch und krass, wie er tatsächlich gewesen sein könnte (der weinsteinweiße Bademantel wedelt bedrohlich) – ihr Horrorbericht steht in faszinierendem Widerspruch zu ihrem antiken Sprachgestus im hexameterartigen Stil. Unsere Medusa ist dazu mit Leib und Seele Musikerin - ihre Wut ballt sich förmlich in der Musik: Sie schreckt nicht zurück vor frauenfeindlichem Rap, nicht vor frauenlobhudelnder Romantik, sie durchsucht alle Genres nach manifesten und versteckten Sexismen, sie wutinterpretiert Musik neu, jedes Stück ein Wutausbruch: Schumann mit Boxhandschuhen auf den Flügel gedroschen, Falco mit Barbiepuppen aufs Schlagzeug gefetzt, Deutschrapper Nimos Leck Sibbi in die Bütt gestellt, Roland Kaisers Warum hast du nicht nein gesagt ins Mikrofon gehöhnt, Helene Fischers gesammelte Schmachtfetzen in die Tonne gejault, und Tom Jones’ Femizid-Hymne Delilah wegen hoher Aktualität exhumiert und exekutiert. Fischmann bearbeitet nicht nur den Flügel, sondern auch – zum ersten Mal – ein Schlagzeug. Sie haut drauf, und sie wird uns umhaun!

Einlass 19 Uhr

Eventdaten bereitgestellt von: Reservix

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