Samstag, 22.06.2024
um 19:30 Uhr

Erbdrostenhof
Salzstraße 38
48143 Münster





Doppelkonzert: Die beiden Konzerte finden nacheinander im Erbdrostenhof statt. Mit dem Erwerb eines Tickets sind Sie zum Besuch beider Konzerte berechtigt. Gesamtdauer: 19:30-22:00 Uhr.

Doppelkonzert Teil 1: SHARDS OF LIGHT – SCHERBEN AUS LIGHT
Tabea Debus (Blockflöten) & Samuele Telari (Akkordeon)

Wenn Licht (sich) bricht, gibt es keine Scherben – sondern allererst eine sichtbare Welt. In Scherben aber kann Licht sich betörend brechen: der Sonnenstrahl in einem Stück Glas, der Schein einer Straßenlaterne im Splitter des Asts, der nachts in einer Pfütze schwimmt, das Lodern der Kerze, das Schillern des Regenbogens in einem zerbrochenen Spiegel, einer einzelnen Träne. So viel Schönheit, etwas Neues entsteht im freien Spiel von Scherben und Licht.

Große Komponist:innen bringen kleinste Fragmente zum Leuchten, machen aus „Scherben“ Neues, etwas Ganzes. Aus Motiven und Themen, die sie drehen und wenden, andern entgegenstellen, in weitere Kontexte tragen, verzieren, variieren, erweitern, wieder zusammensetzen, kom-ponieren, entstehen Welten.

In „Shards of Light“ machen Tabea Debus und Samuele Telari solche Splitter in den Werken, die aus ihnen entstehen, hörbar. Etwa Bachs ergreifendes Thema des Siciliano seiner c-Moll Sonate, aus dem später das große „Erbarme dich“ seiner Matthäus-Passion wird. Der Argentinier Alex Nante greift in „Herbstlicht“ Bachs 2. Französische Suite auf. In Dowlands melancholischer Tränen-Pavane, aus der später das berühmte Lied „Flow my tears“ wurde, erkennt man in den vier absteigenden Tönen, die sich wiederholen, fallende Tränen. Welch geheime Scherben hat Simone Cardini dem Duo, das er für Tabea und Samuele komponiert hat, eingeschrieben?

Tabea Debus, international preisgekrönt, verfolgt derzeit noch von London aus eine weltweite Karriere, im Oktober tritt sie eine Professur in Hannover an. Auch Samuele Telari gewann renommierte internationale Wettbewerbe. Konzerte führten ihn durch ganz Europa, nach Russland und Kolumbien. Er ist Professor am Konservatorium Domenico Cimarosa im italienischen Avellino.

SHARDS OF LIGHT
Béla Bartók (1881–1945): Sechs Rumänische Volkstänze
Johann Sebastian Bach (1685–1750): Sonata in c-Moll, BWV 1017 | Präludium und Fuge Nr. 22, BWV 867
Heitor Villa-Lobos (1887–1959): Ária. Bachianas Brasileiras Nr. 5
Alex Nante (*1992): Luz de otoño (2022, für T. Debus)
Simone Cardini (*1986): Would you keep a secret? Deutschlandpremiere
(2023, für T. Debus und S. Telari)
John Dowland (1563–1626): Lachrimae Pavan, „Flow my tears“ | Sir John Souch his Galliard
Viacheslav Semionov (*1946): Bulgarische Suite


Doppelkonzert Teil 2: A BIRD FANCYER’S DELIGHT – VOGELFREUNDS FREUDE

Ensemble Sonorità
Hojin Kwon (Blockflöte), Lea Sobbe (Blockflöte), Melanie Flores (Cembalo), Ekachai Maskulrat (Cello), Pablo Fitzgerald (Erzlaute, Barockgitarre)


„Kommt, all’ ihr Sänger des Himmels“, heißt es schon in Purcell’s Semioper „Fairy Queen“ nach Shakespeare’s „Sommernachtstraum“, aber nur ihr „harmlosen und guten“.

Vogelstimmen wurden im Barock häufig imitiert. Glaubte man, dadurch mit den zarten Wesen kommunizieren zu können, die frei am Himmel ziehn oder aber in einer Voliere leben und dennoch wunderschön singen? Man freute sich an ihrem Gesang und projizierte die eignen Gefühle in sie hinein. Das war so populär, dass 1717 eine Flageolet-Schule – das Flageolet ist eine Miniblockflöte, die bei Gentleman-Amateuren beliebt war – unter dem Titel „The Bird Fancyer’s Delight” (Des Vogelfreundes Freude) erschien, die auch dazu anleitet, Vögeln im Käfig neue Melodien beizubringen. Man erhob die gefiederten Freunde zum Symbol – für Unschuld und Reinheit der Liebe oder die Melancholie und Dunkelheit glühenden Verlangens. So etwa die Nachtigall Hotteterres in der Arie „Pourquoi doux rossignol“: „Aber wenn du meine Liebe nicht erträgst, so überlass mein Herz dem Feuer, das es verschlingt. / Warum, du süße Nachtigall, wachst du in diesem dunklen Raum vorm Morgengrauen auf?“ Nicht zuletzt erinnert, oft augenzwinkernd, komponierter Vogelgesang ans muntere Zwitschern, leidenschaftliche Vögeln unsrer eigenen Spezies, etwa in den Blockflötenduetten in Purcells C-Dur-Sonate und Williams’ Sonata Secunda.

Für Komponisten aber lag in der Nachahmung von Vogelgesang noch ein anderer Nutzen: „Das ist doch Natur!“ Mit diesem Hinweis konnten sie die Virtuosität und Expressivität ihrer Stücke, extravagante Melodiesprünge, Verzierungen und Tonrepetitionen oder humoristische Elemente legitimieren und die strengen vorgegebenen Kunstformen durchbrechen – ihre Phantasie singen und fliegen lassen, vogelfrei.

Das Ensemble Sonorità vereint junge Barockspezialist:innen, die sich an der Schola Cantorum Basiliensis, einer der weltweit führenden Hochschulen für historisch informierte Aufführungspraxis, fanden und durch eigene Arrangements und Improvisationen hervortraten. Sonorità ist Preisträger u.a. des 19. Biagio Marini Wettbewerbs.

A BIRD FANCYER’S DELIGHT
John Walsh (1666–1736): The Starling
Henry Purcell (1659–1695): A Birds Prelude | Sonata VII in C-Dur Z. 808
William Williams (1675–1701): Sonata Secunda | Sonata in Imitation of Birds
Angelo Michele Bartolotti (1615–1681): Passacaille in G-Dur
Jacques-Martin Hotteterre (1673–1763): Doux sommeil | Pourquoy doux Rossignol
Jean Philippe Rameau (1683–1764): Le Rappel des Oiseaux
Johann Christoph Pez (1664–1716): Concert pastorella
Marco Uccellini (1603/10–1680): Sonata XVII | Aria sopra „La Bergamesca“
Claudio Monteverdi (1567–1643): O come, sei gentile, caro augellino
Tarquinio Merula (1595–1665): Sonata 20: Ciaccona für 2 Violinen und Basso obligato

Fotos: Kaupo Kikkas

Der VVK startet am 06.05.2024

Eventdaten bereitgestellt von: Reservix

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Klassik, kreativ adaptiert – und so gespielt, dass einem Sinne und Herz aufgehen. Das polnisch-serbische Duo Aliada ist vielfach ausgezeichnet und wird in bedeutenden Konzertsälen bejubelt. Dabei wahrt jede seiner Bearbeitungen Substanz und Charakter des Originals, bringt sie mitunter deutlicher hervor, indem Michal Knot und Bogdan Laketic das Potenzial ihrer Instrumente voll auskosten.

Mit dem Programm „Tales“ evozieren Knot und Laketic, die sich im Studium in Wien kennenlernten, Geschichten und kleine Szenen aus dem Leben. Im Zentrum Melodien von Schumann und Brahms. „Der ernste, schweigsame Brahms, der echte Jünger Schumanns, norddeutsch, protestantisch und unweltlich wie dieser, schreibt Walzer? Ein Wort löst uns das Rätsel, es heißt: Wien“, schrieb Brahms’ Kritikerfreund Eduard Hanslick dazu. Er hatte dabei das typisch Wienerische Milieu mit seinem Kulturmix und seinen geselligen „Jam Sessions“ im Sinn. „Wirkliche Tanzmusik“, so Hanslick, „wird natürlich niemand erwarten: Walzer-Melodie und Rhythmus sind in künstlerisch freier Form behandelt und durch vornehmen Ausdruck gleichsam nobilitiert. Trotzdem stört darin keinerlei künstelnde Affektation, kein raffiniertes, den Total-Eindruck überqualmendes Detail – überall herrscht eine schlichte Unbefangenheit“.

Einfach auch Schumanns „Kinderszenen“, nicht für Kinder, sondern als „Rückspiegelung des Älteren für Ältere“ (Schumann) komponiert. Naiv, wie es nur Erwachsene sind, dabei anmutig und schön, entspringen sie dem Bewusstsein, Unschuld und Unverbildetheit des Kindes verloren zu haben. Sind nicht die „Träumerei“, „Von fremden Ländern und Menschen“ oder „Hasche-Mann“ heute so aktuell wie 1838, als sie entstanden? Ebenso Hans Pfitzners Bemerkung von 1920: „es ist ein Tropfen Musik aus tiefstem Quell; wir sind auch musikalisch verkommen und verloren, wenn wir uns dieser Schönheit entwöhnen“.

Künstler:
Duo Aliada:
Michał Knot, Saxophon
Bogdan Laketic, Akkordeon

TALES
Johannes Brahms (1833–1897): 16 Walzer, op. 39
Robert Schumann (1810–1856): Kinderszenen (Auswahl)
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Foto: Siavash Talebi

Der VVK startet am 06.05.2024
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Künstler:innen
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FANTAISIE
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Fotos: Jouyan Tarzaban

Sie benötigen kein Ticket , der Eintritt ist frei.

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