Von Juden lernen: Teshuva
Mirna Funk und Mirjam Wenzel sprechen über das jüdische Konzept der Umkehr. Wörtlich bedeutet Teshuva „zurückkehren“ – und meint nicht bloß Reue oder Buße, sondern einen aktiven Weg der Veränderung. Teshuva beginnt mit dem Eingeständnis eines Fehlers, führt über Verantwortung und Wiedergutmachung hin zu einem echten Wandel im Verhalten. Sie ist nicht abstrakt oder theoretisch, sondern zutiefst praktisch: Du sprichst mit dem Menschen, den du verletzt hast. Du versuchst, es besser zu machen. Und du beweist Veränderung dadurch, dass du beim nächsten Mal anders handelst.
Teshuva ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Und er steht allen offen – jederzeit. Sogar Gott „macht“ Teshuva in manchen rabbinischen Texten. Denn Teshuva ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist Ausdruck von Größe. Deshalb ist das Konzept gerade heute besonders essenziell. In einer Zeit, in der Fehler stigmatisiert und Menschen schnell abgeschrieben werden, erinnert Teshuva an etwas anderes: Menschen können sich ändern. Und Veränderung verdient Raum.
Teshuva widerspricht der Logik von Cancel Culture ebenso wie der von Selbstoptimierung.
Sie sagt nicht: „Du musst perfekt sein“. Sondern: „Du darfst falsch liegen – wenn du bereit bist, dich zu bewegen“.
Es ist ein radikaler Gedanke in einer Gesellschaft, die selten vergibt und noch seltener vergisst. Teshuva öffnet die Tür. Nicht für eine Entschuldigung, sondern für eine Rückkehr. Zu sich selbst. Zu anderen. Und manchmal: zur Menschlichkeit überhaupt.
Mirjam Wenzel studierte Literatur-, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und an der Tel Aviv University. Anschließend arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 2007 bis 2015 verantwortete sie als Abteilungsleiterin am Jüdischen Museum Berlin die Vermittlung von jüdischer Geschichte und Kultur in digitalen und gedruckten Medien. Seit Januar 2016 ist sie Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt am Main, das unter ihrer Leitung grundlegend erneuert und erweitert wurde.
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Foto: Anna Rose